Lobbyismus der Autoindustrie – Wie groß ist der Einfluss der Automobilbranche auf die Politik?

Schwarzes Auto

Der Diesel Skandal von Volkswagen 2015 verstärkte die Debatte um die Lobbyarbeit der deutschen Autohersteller. Jedoch gelangte die Autolobby erst kürzlich wieder in die Presse, nachdem bekannt wurde, dass sie 2014 eine Forschung zu Dieselabgasen an Affen in Auftrag gab. Der Zweck des Versuches war es, das Image des Diesels zu verbessern.

Doch wie weit reichte der Einfluss der Automobillobby in den letzten Jahren auf die Politik?

Was ist Lobbyismus überhaupt?

Lobbyismus ist die Bezeichnung für die Beeinflussung von der Politik durch Interessensverbände. Die Interessensverbände vertreten jeweils unterschiedliche Interessen wie z.B. die von Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften oder der deutschen Automobilindustrie, also sowohl die Interessen von Unternehmen, als auch von nichtstaatlichen Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen.

In Deutschland arbeiten laut der freiwilligen Verbändeliste des Deutschen Bundestages 2300 Verbände, da aber viele Großunternehmen eigene Lobbybüros besitzen, es zahlreiche Lobby-Agenturen, Beratungsfirmen, sowie Anwaltskanzleien gibt, zeigt die Liste nur einen Teil des Lobbyismus.

Der gemeinnützige Verein “LobbyControl” schätzt, dass in Berlin mehr als 6000 Lobbyisten tätig sind, in Brüssel sollen es sogar 20.000 sein. Trotz der großen Anzahl an Lobbyisten ist ihre Arbeit meist nicht bekannt, denn Lobbyarbeit darf weiterhin im Verborgenen ablaufen.

Woher kommt der Einfluss?

Lobbyisten erlangen auf verschiedenen Wegen an Einfluss in die Politik.

Ein Weg davon ist, dass die Politiker meist Fachwissen benötigen, um Entscheidungen zu treffen. Lobbyisten aus dem jeweiligen Bereich besitzen die benötigte Expertise und sind bereit, sich mit den Politikern zu treffen. Bei einem Treffen mit einem Politiker, können sie Einfluss auf die Entscheidung des Politikers und gleichzeitig Informationen über zukünftige politische Veränderungen erlangen.

Häufig bringen Lobbyisten Berichte, Studien und Fakten mit, die den Politiker zu der gewünschten Entscheidung bewegen sollen.

Bei der Erstellung oder Veränderung von Gesetzen, bekommen die zuständigen Abgeordneten oft sogar ganze Gesetztes Entwürfe von Lobbyisten zugeschickt, die sie dann theoretisch eins zu eins übernehmen könnten.

Interessensverbände und Unternehmen tätigen oft große Parteispenden, um die Sympathie der Parteimitglieder zu erlangen. Die Spenden sind zwar bedingungslos, aber wenn die Partei nicht mehr im Sinne des Unternehmens handelt, könnte es nächstes Jahr nur noch eine kleinere Spende geben.

Lobbyismus ist ein legitimer Bestandteil der Demokratie, denn Interessensverbände sollen die Möglichkeit haben, ihre Meinungen in die Politik einzubringen. Problematisch ist dabei jedoch heute, dass Lobbyismus weder transparent, noch kontrolliert stattfindet und die Wirtschaft mehr Wert als das Allgemeinwohl der Bürger erlangt.

Lobbyismus der Autoindustrie:

In Deutschland ist einer der größten und einflussreichsten Interessenverbänden, der Verband der Automobilindustrie (VDA). Der VDA vertritt rund 600 Unternehmen aus dem Bereich der Automobilindustrie national in der Bundesrepublik und international in der Europäischen Kommission.

Den Einfluss auf die Politik erlangt er durch direkten Austausch zwischen Entscheidungsträger und Lobbyisten. 16 Lobbyisten arbeiteten 2017 für den VDA und trafen sich 27-mal mit der EU-Kommission.

Volkswagen, Daimler, BMW, Opel haben jeweils auch noch zusätzlich eigene Lobbyisten. VW ist mit 2,66 Millionen Euro an Ausgaben für Lobbytätigkeit und 50 Treffen mit der EU-Kommission der aktivste der deutschen Autohersteller in der Politik.

Die Effektivität von den Treffen zwischen Lobbyisten und Politik kann man an vielen Beispielen feststellen.

Seitenwechsel von Politik in die Autoindustrie

So gab es den berühmten Seitenwechsel von Eckart von Klaeden im Jahre 2013, der von seinem Job im Kanzleramt als Staatsminister übergangslos zum Cheflobbyist von Daimler wurde. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin wegen unerlaubter Vorteilsannahme, die Ermittlung wurde allerdings 2015 eingestellt. In den Medien wurde der Wechsel als Kauf von Kontakten in die Politik angesehen. Merkel wies diese Kritik zurück und ihr Sprecher behauptete, es habe keinen Interessenkollisionen bei von Klaeden gegeben. Wie sich aber herausstellte, war jedoch von Klaeden involviert bei der Verhinderung von strengeren CO2-Grenzwerten für Autos, die von der Bundesregierung im Sinne der Autoindustrie auch übernommen wurde.

Neben von Klaeden hat auch Matthias Wissmann von der CDU als damaliger Verkehrsminister zur VDA gewechselt. Seit 2007 ist er Präsident der VDA.

Auch Thomas Steg wurde als SPD-Politiker zum Cheflobbyist für Volkswagen, wurde aber am 30. Januar 2018 wegen den umstrittenen Abgastests an Affen beurlaubt.

Affenskandal

2014 hatte der von der Autoindustrie finanzierte Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor, kurz EUGT, (an Affen) die Auswirkungen eines Diesel-Autos studieren sollen, um Städte vom sauberen Diesel zu überzeugen. Laut der Organisation „Lobbycontrol“: „hatte [die EUGT] ganz offensichtlich das Ziel, den Diesel in der öffentlichen Debatte sauber zu waschen“. Das wichtige an dem Versuch ist nicht nur, dass Schadstoffe per Definition schädlich sind und man dies nicht zu testen brauch, sondern auch, dass es sich bei dem Testfahrzeug um einen VW mit illegaler Abschalteeinrichtung handelte, das Ergebnis der Forschung war also sowieso nicht realitätsnahe.

Die Reaktion der Politik war Entsetzen, jedoch wusste die Regierung durch den Ausschuss zum Dieselskandal bereits seit 2016 über die Versuche Bescheid.

EU-Grenzwerte (2013)

Der VDA veröffentlicht 2-mal im Jahr seine Interessen und Ziele, aber manchmal schreibt er auch persönliche Briefe an Abgeordnete. In dem Fall der Verhinderung von strengeren Grenzwerten, bei denen auch von Klaeden beteiligt war, schrieb der VDA-Chef Matthias Wissmann einen Brief direkt an die Kanzlerin, in dem er schrieb, (Zitat), dass „wir unser leistungsfähiges und starkes Premiumsegment, dass fast 60% der Arbeitsplätze unserer Automobilhersteller in Deutschland ausmacht, nicht über willkürlich gesetzte Grenzwerte buchstäblich kaputt regulieren lassen dürfen“.

Die Bundesregierung kippte nachdem bereits 27 EU-Mitglieder zugestimmt hatten das neue Umweltschutzgesetzt für 2020 und setzte sich bei der Abstimmung im Europäischen Parlament über die Abgasgrenzen ab 2020 und 2025 für sogenannte „Supercredits“ ein. Die „Supercredits“ erlauben es den Herstellern die festgelegte Obergrenze 95 g CO2/km ab 2021 und von 68 – 78 g CO2/km ab 2025 durch Hybrid- und Elektrofahrzeuge, die zwei- oder dreifach angerechnet werden, zu erreichen, denn bei der Obergrenze gilt lediglich der durchschnittliche Ausstoß aller Neuwagen eines Herstellers, somit können einzelne Serien weit über der Obergrenze liegen.

Ein weiterer Punkt ist das Messverfahren der Grenzwerte, welches entgegenkommend der Automobilindustrie nicht das seit Ende 2017 global geltende Messverfahren WLTP ist, sondern eine Umrechnung auf das alte unrealistische NEFZ, die verschiedene Tricks erlaubt, um die Abgaswerte zu verbessern. Auch bei dem neuen Testverfahren gibt es Mängel, denn er geht von maximal 47 kW an Leistungsnutzung aus, weshalb es weiterhin zu unrealistischen Werten kommt.

Die Autolobby kritisiert jedoch die Regelung, da deutsche Autos meist mehr PS und somit höhere CO2-Emissionen haben als die von Konkurrenten wie Fiat, Toyota und Ford, außerdem sei fraglich, ob alternative Antriebe schnell genug angenommen werden.

Tatsache ist jedoch, dass die Grenzwerte weitaus geringer sind, als ursprünglich von der EU geplant und sie mit den Supercredits sogar noch dreckigere Autos erlauben. Merkel hat sich stark für die Autolobby eingesetzt und die Abstimmung gekippt, indem sie anderen Ländern wie England und Frankreich Vorteile versprach.

Wichtig ist auch anzumerken, dass die CDU 2013 auch fast 700.000 Euro als Spende von den BMW-Aktionären bekam. Insgesamt gab die Autoindustrie 17 Millionen an Spenden in den letzten 8 Jahren, wovon 80% an die Union und FDP gingen. Die Autoindustrie ist also für die Parteien ein wichtiger Faktor, um gewählt zu werden.

Effizienzlabel

Der VDA hat 2012 bei der Erstellung der Effizienzlabel massiv mitgeholfen. Die Effizienzlabel sollen den Käufern den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen vereinfacht darstellen, so wie bei Elektronikgeräten. Der VDA bat die zuständigen Ministerien, dass die beste Effizienzklasse nicht so hoch sein soll. Schlussendlich entsprach das Label vollständig den Vorstellungen und Wünschen des VDA, die z.B. wollte, dass der CO2-Ausstoß eines Autos in Relation zu dessen Gewicht berechnet wird, weshalb ein Geländewagen eine bessere Effizienzklasse haben kann als ein kleines Auto.

Monate zuvor hatte die Autoindustrie Großspenden an die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP getätigt.

Diesel Skandal (ab 2015)

Das beste Beispiel zum Einfluss der Automobilindustrie auf die Politik ist der Diesel-Skandal von VW.

2015 wurde der Betrug von Volkswagen bei den Abgaswerten von der amerikanischen Umweltschutzbehörde aufgedeckt, als bei einem Straßentest das Auto das 35-fache an angegebenen Sickstoffoxiden (NOX) verursachte.

Interessant war es, dass bei einem normalen Test im Labor die Ergebnisse mit den Herstellerangaben übereinstimmten. Grund für den Unterschied zwischen Straße und Labortest war die illegale Abschalteeinrichtung, die nur unter Testbedingungen den Schadstoffausstoß verringerte. VW wurde wegen des Betrugs in den USA zu einer Strafe sowie zu der Nachrüstung aller betroffenen Autos bzw. des Rückkaufs gezwungen.

In Deutschland gibt es rund 2,5 Millionen manipulierte Dieselfahrzeuge von VW, Audi, Seat, Skoda und Porsche. Diese werden nicht wie in den USA mit Hardware, sondern mit Software nachgerüstet. Auch eine Entschädigung oder ein Rückkauf ist undenkbar, stattdessen gibt es Dieselprämien, die Kunden zu einem Neukauf bewegen sollen.

Wer sein Auto nicht nachrüstet, riskiert eine Stilllegung des Fahrzeugs, jedoch gibt es auch nur eine begrenzte Gewährleistung nach dem Softwareupdate.

Das Softwareupdate bringt eine Verbesserung von maximal 30%, eine Hardwarelösung, die zwar etwas mehr kostet, könnte die Emissionen um 90% verbessern. Problematisch ist dieses Vorgehen, da die Kunden auf ihren Verlusten sitzen bleiben. Sie können kaum noch ihren Diesel zu einem angemessenen Preis verkaufen, dank des Imageverlusts und der Gefahr, bald nicht mehr in die Großstädte wegen Fahrverboten fahren zu können.

Die Fahrverbote könnten von der EU erzwungen werden, denn es gibt aktuell mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, weil in vielen Städten die erlaubten EU-Schadstoffgrenzwerte überschritten werden. Wenn Deutschland nicht handelt und die Luft nicht sauber wird, drohen hohe Strafen von der EU-Kommission.

Doch die dafür notwendige Hardwarelösung wird von der Autolobby als Todesbringer und laut deren Studien als wenig sinnvoll betrachtet.

Laut einer Studie der europäischen Umweltagentur gab es 2012 allein in Deutschland 10400 Todesfälle durch zu hohe Stickstoffdioxidbelastung.

Der Grund weshalb die Automobilindustrie nicht in Verantwortung gezogen wird und wieso man die Hinweise in der EU und in der Bundesregierung auf illegale Abschalteinrichtungen ignorierte, ist simpel:

Zukunft und Grund für das Handeln

In Deutschland ist die Autoindustrie mit mehr als 870 000 Arbeitsplätzen und einen Umsatz von 400 Milliarden Euro der größte Wirtschaftsfaktor. Vor allem im Export spielt die Autoindustrie mit 19% des gesamten Export Umsatzes die wichtigste Rolle. Ohne die Autoindustrie wäre Deutschland somit weit weniger wohlhabend und würde keine so wichtige Rolle auf dem Weltmarkt spielen.

Kein Wunder also, dass die Automobilbranche eine große Rolle in der Politik spielt.

Doch wie an den Beispielen zu erkennen ist, werden die Interessen der Autoindustrie auch manchmal über das Wohlergehen der Bürger gestellt, was von der Politik falsch ist und dazu führt, dass der legitime Lobbyismus kritisch gesehen wird. Insgesamt braucht es mehr Transparenz bei den Verbindungen zwischen Politik und Lobbyarbeit, die durch ein Lobbyregister herbeigeführt werden könnte.